Türmer-Eid.

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Parallel zum Wachdienst für seine Stadt war der Türmer der Kirche verpflichtet.
Im Dienste der Kirche oblag dem Türmer das Läuten der Glocken.
Nicht nur im zeitgebenden viertel-, halb- und stündlichen Rhythmus.
Auch an Feiertagen, Hochzeiten, Geburten und zum Totengeläut, hatte der Türmer Dienst zu tun. 
Für diese Aufgaben musste er ständig anwesend sein, bzw. hatte für eine zuverlässige Hilfe ( meist waren es Familienmitglieder ) zu sorgen. Keinesfalls durfte er den Turm eigenmächtig verlassen. Die Zuverlässigkeit des Türmers manifestierte sich für die Bürger unten in der Stadt in der genauen Zeitansage.
So versicherte er sie gleichsam seiner ständigen aufmerksamen Wachsamkeit. 
Darauf hatte der Türmer bei Dienstantritt einen Eid zu leisten.
Mit Turmmusiken oder Extrageläut konnten die Türmer sich etwas dazu verdienen.
So leisteten sich reiche Bürger der Stadt zu Geburtstagen, Hochzeiten oder Todesfeiern gern ein privates Glockengeläut. Hörte doch dann die ganze Stadt ihren Reichtum ... 
Überliefert aus der Chemnitzer Jacobikirche ist ein Wetterläuten im Sommer und im Herbst des Jahres 1531. Man dachte damit Gewitter verscheuchen zu können. Das ist auch aus anderen Städten berichtet worden. Die Kämmerei zahlte dem Türmer zu Chemnitz dafür damals 22 Groschen. Die eigentliche Entlohnung der Türmer in sprichwörtlich Barem hingegen war eher gering. Durften sie doch in der kleinen - oft möbliert bereitgestellten - Türmerstube unentgeltlich wohnen. Oft wurden die Türmer mit Naturalien bezahlt. 1547 ließ der Rat Chemnitz
für 7 Groschen den Ofen in der Türmerwohnung reparieren und zahlte dem Türmer 5 Groschen Holzgeld. Gegen die Kälte erhielt er einen warmen Pelz und für 11 Groschen noch ein paar „Filze“.
 Beim Ansitz des neuen Rates brachte ihm das „Anblasen“ 3 Groschen ein. Darüber hinaus war es durchaus üblich, dass die Türmer an besonderen Feiertagen – so Ostern oder zur Weihnacht, oder Neujahr – in ihren Städten „umgingen“ und von ihren Bürgern mit Brot, Obst, Kleidungsstücken, Kuchen und anderen festlichen Leckereien für ihren zuverlässigen Dienst belohnt wurden. Oft sollen sie bei solchen Gelegenheiten zu einem kleinen Getränk eingeladen worden sein, für das sie sich mit einem kleinen musikalischen Dankeschön revanchierten. So kommt es, dass die eher als eigenbrötlerisch wahrgenommenen Türmer von den braven Bürgern in diesen Tagen auch als durchaus leichtfüßig und ein wenig anrüchig eingeschätzt wurden.

Ich schwöre …

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Güstrow. Pfarrkirche Sankt Marien.

Der Text des Eides wurde wahrscheinlich vom Stadtsekretär Heinrich Benox vom Original in lesbaren Text transkribiert.

Der Eid der Turmwächter in Güstrow lautete:  

„Ich, (Vornamen Nachnahmen des Vereidigten ) schwöre zu Gott einen körperlichen Eid, dass, da ich von Bürgermeister und Rat als Wächter über der Stadt auf dem Pfarrkirchturm gesetzet, ich Tag und Nacht fleißig Achtung auf die Stadt haben, wenn ich Feuergefahr in der Stadt und Vorstädten merken sollte, sofort die Sturmglocke läuten, und des Nachts die gewöhnlichen Stunden sowenig am Gebäude, als sonsten den darunter seyenden Gewölbe und Glocken ein Schade auf irgend eine Art und Weise zugeführt werden solle, zu solchem Behufe dahin beständigst sehen und ein wachsames Auge haben, dass die Glockenläuter bei ihrer Arbeit in Person selbst erscheinen und weder ihre Frauen und Kinder noch sonsten andere an ihre Stelle die Glocken ziehen und treten lassen sollen, und sooft ich eine Unordnung wegen überflüssigen Trinkens und sonsten hierunter vernehme, solches sofort dem worthabenden Hrn. Bürgermeister anzeigen, dann auch, wann mir bei der Kirche zu beschaffende Monitur anvertraut werden sollte, dieselbe ehrlich und treu verwalten und die eintreibenden Gelder richtig abgeben und nicht zu meinem Nutzen verwenden will.

Alles, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort.“

(1817)